Du doch nicht! Warum Chaos im Kopf und ausgeprägte Strukturiertheit sich nicht ausschließen.

Ina Mewes

Vor ein paar Wochen bin ich damit rausgegangen, dass ich ADHS habe. Ich für mich tief drin habe ich das schon eine ganze Weile geahnt, gewusst. Die offizielle Diagnose hat es nur bestätigt. Spannend fand ich, dass viele Menschen in meinem Umfeld total überrascht waren. Ja, ich bin ein Trommelmännchen. Aber im außen, gerade in der Online-Welt, nehmen mich die Menschen als extrem strukturiert, fokussiert und planvoll wahr. Das passt doch eigentlich nicht, oder?

In dieser Folge versuche ich mal, dich ein bisschen mehr in mein Innenleben reinzunehmen, um zu zeigen, warum das überhaupt kein Widerspruch sein muss. Und warum “anders sein” gar nicht schlimm ist.

Ich kann mich noch gut an die Autofahrt mit meiner Tochter erinnern, bei der sie mir sagte, sie würde sich auf ADHS testen lassen. Meine erste Reaktion: “Du doch nicht.” … 

Das lag nicht daran, dass ich es als Makel oder Katastrophe gesehen hätte. Es war in meinen Augen nur so abwegig. Bei ADHS hatte ich immer diese kleinen wilden Bengels vor Augen. Die in der Schule über Tische und Bänke gehen, gefühlt unkontrollierbar. Die einen extremen Bewegungsdrang haben und sich null konzentrieren können. Und nein, das hab ich bei ihr nie erlebt. In meinen Augen war meine Tochter völlig normal.

Mein Kind hatte sich aber informiert und ratterte mir dann runter, warum sie meinte, sie würde da mit reinpassen: “Es fällt ihr schwer, sich zu fokussieren. Ständig springen die Gedanken von einem zum nächsten Punkt. Wenn sie sich für bestimmte Dinge begeistert, vergisst sie Raum und Zeit. Andererseits fällt es ihr schwer, bei teils auch wichtigen Sachen dranzubleiben etc. pp.” Meine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. “Ja, aber das geht doch allen so”. Die Gegenantwort ließ keine Sekunde auf sich warten: “Das denkst du. Vielleicht solltest du dich auch mal testen lassen.”

Das ist jetzt drei Jahre her. Ihre Diagnose kam zeitnah und war eindeutig. In dem Moment habe ich angefangen, mich näher damit zu beschäftigen, habe festgestellt, dass ADHS eben nicht nur kleine Jungs betrifft, sondern auch Erwachsene. Dass Mädchen und Frauen ganz andere Anzeichen zeigen und dass es eine extreme Bandbreite in den Ausprägungen gibt.

Wie soll ich wissen, dass etwas nicht stimmt, wenn ich es nicht anders kenne?

Das fiese bei Neuro-Diversität, also einer anderen Funktionsweise des Gehirns, ist, dass die von Anfang an da ist. Während du bei einer Depression vielleicht selbst merkst, dass sich das Leben anders anfühlt, dass es früher besser war, du aber nicht weißt, wie du aus diesem grauen Watte-Nebel, der Abwärtsspirale, der Antriebslosigkeit rauskommen kannst, ist das hier anders. Don’t get me wrong. Depressionen sind Scheiße. Gerade, weil du “Lady Angst”, wenn sie einmal in deinem Leben ist, nie so ganz entgültig loswirst. Aber du merkst halt, dass da was nicht stimmt.

Ich hab viele Jahre mit Panik-Attacken zu tun gehabt. Bin teilweise monatelang irgendwelche spannenden Feldwege langgejuckelt, weil ich mich nicht einmal mehr auf eine normale Landstraße getraut hab, aus Bammel, dass es wieder losgeht. Und hey, ich fahr gern Auto. Hab in meinen 20ern bestimmt 400.000 km runtergerissen. Von einem Tag auf den anderen ging nichts mehr. Also ab auf Traktorwegen durch den Nationalpark. Da kann ich jederzeit halten und am Seitenrand unauffällig sterben … 

Die Dinger sind auch fies. Mittlerweile weiß ich, dass ich damit Null allein bin. Dass das viele betrifft. Aber auch hier: ich wusste nicht, woher sie kamen. Mir war aber total klar, dass da was nicht stimmt, dass das nicht “normal” ist. 

Bei ADHS und Co. ist es anders. Es gibt kein Vorher und Nachher, keinen Vergleich. Jemand, der “normal” tickt, wird nie wirklich nachvollziehen können, welcher Kopf-Fasching ständig bei mir und anderen herrscht. Wird vielleicht nur genervt sein, von Unzuverlässigkeit und anderen Verhaltensweisen, die er oder sie nicht verstehen. 

Genauso wenig kann ich mir vorstellen, wie es ist, wenn die graue Masse da oben nicht ständig Party feiert. Um dann zum unpassendsten Moment erschöpft und überfordert auf das Sofa zu sinken. Weil für mich genau DAS normal ist. 

Ich habe keine Ahnung, wie es wäre, wenn ich das selbst im Griff hätte. Zu entscheiden, wo mein Fokus hinspringt, wo er jetzt gerade gebraucht wird. Und zu wissen, wie ich dieser Taschenlampe im Kopf erklären kann, dass sie bitte auf meine Steuererklärung leuchten möge, statt die Biografie von Victor Jara zu erkunden. 

To much input

Die heutige Gesellschaft überfordert eigentlich jeden. Ich bin überzeugt, dass unsere Gehirne alle einfach nicht dafür geschaffen sind, mit der Vielzahl von Neuerungen, Informationen, Inputs umzugehen. 

Also heißt es filtern. Manche können das richtig gut. Manche nicht. Ich bin eine davon. Es fällt mir schwer, den Fokus zu finden. Zu differenzieren, welche Information jetzt wirklich relevant für mich, mein Leben, mein Business sind, und welche einfach nur da sind, interessant, aber vernachlässigbar. 

Das führt dazu, dass ich mittlerweile ein wandelndes Lexikon bin. Lese ich ein Buch, in der die Nebendarstellerin eine seltene, fiese Krebsform hat, kann ich Jahre später noch abrufen, dass inflammatorischer Brustkrebs richtig Scheiße ist. Weil ich parallel angefangen hab, zu googeln, tief ins Thema eintauchend.  

Brauche ich diese Informationen als Texterin, als Schreib-Coach? Wohl eher nicht. Ich kann dir auch ziemlich gut darlegen, warum es zwischen Israel und Palästina ständig kracht. Warum es total bescheuert ist, Chlordioxid gegen irgendwelche Erkrankungen zu nehmen oder wofür die blauen leuchtenden Balken am Straßenrand da sind, und warum sie nicht ihren Zweck erfüllen.

Fehlende Filter haben Vor- und Nachteile

Nichts davon ist wirklich relevant für mein Leben. In der Schule lief das unter “breites Allgemeinwissen” und nein, ich möchte das nicht missen. Denn ja, natürlich profitiere ich davon. Weil ich mich so sehr gut einfühlen kann, verschiedendeste Branchen und ihre Herausforderungen kenne, mir eigentlich kein Thema fremd ist. Genau genommen sehe ich das eher als Super Power.

Aber manchmal nervt es eben auch enorm. Weil ich Zeit mit Recherche zu Themen vergeude, die anderswo vielleicht besser investiert wäre. 

Bei mir funktioniert der normale Filter nicht. Ich kann nicht entscheiden: Das Thema ist für mich wichtig. Da muss ich ran. Und das hier ist zwar interessant, aber eben nicht relevant. Und so bin ich zwar ein Wissensschwamm, den du gut anzapfen kannst, dem aber immer wieder die Zeit für wirklich wichtige Dinge fehlt. Und der Leute im Umfeld wahrscheinlich nervt, weil ich gerade wieder eine ganz ganz spannende Nuss gefunden habe, die ich allen zeigen will. Wusstest du, dass das Stadion, in dem Victor Jara in Chile gefoltert und ermordet wurde, später nach ihm benannt wurde? Ups, genau das mein ich.

Wenn du also bei Menschen in deinem Umfeld feststellst, dass sie in Gesprächen auf einmal bei einem Thema so voll einsteigen, nicht davon wegkommen, mega-viel teilen wollen, was dich so null interessiert: Sieh es ihnen nach. Entweder ist das wirklich was Wichtiges für sie. Oder sie hatten ihren Filter nicht aus und die Begeisterung muss raus. 

Großer Vorteil bei den filterschwachen Menschen: In drei Wochen hast du deine Ruhe. 

Vor dem Thema. 

Dann ist ein anderes dran.

Woher kommt dann die Struktur?

Als ich das erste Mal die Rückmeldung von Kursteilnehmern bekam, dass ihnen vor allem meine strukturierte Vorgehensweise geholfen hätte, bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Ich und strukturiert?

Mittlerweile verstehe ich, woher diese Aussage kommt. 

Ich bin und bleibe das komplette innere Chaos. Und genau deshalb brauche ich Struktur. Keine große allgemeine. Step by Step und trotzdem flexibel. Meine ganz eigene Variante.

Die klassischen Wege: Priorisieren nach bestimmten Mustern, Journaling, was weiß ich, haben nicht funktioniert. 

Ich hab lange Jahre in einer Führungsposition im Mittelstand gearbeitet, durfte alles in Anspruch nehmen, was mir weiterhilft.  Auf meiner Weiterbildungsliste sind 50% der Kurse oder Workshops zum Thema Selbstorganisation. Weil das immer mein Problem war. Hat nix geholfen. Mittlerweile weiß ich, warum. Die sind für normal-Hirne. Meins tickt anders.

Wenn ich jetzt selbst Workshops, Kurse, Programme anbiete, sind die so gestaltet, wie ich sie selbst gern hätte. Und ja, auch so, wie ich sie umsetzen kann. Nicht ein großer Batzen: jetzt mach mal. Sowas überfordert mich total. Sondern kleine Häppchen. Leicht verdaulich. Erstmal verstehen, warum die nächsten Schritte sinnvoll sind und dann eine klare Anleitung, wie man Schritt für Schritt umsetzt.

Simples Beispiel: Ich hab Katzen (und nen Hund). Für jeden normalen Menschen läuft das Katzenfüttern so ab: Futter aus dem Fach nehmen, in den Raum gehen, wo sie Happa bekommen, leere Dose mit zurücknehmen und in den gelben Sack in der Küche schmeißen. Dass sich bei mir nicht leere Dosen random in der Wohnung finden, liegt schlicht daran, dass es einen extra Mülleimer (gelber Sack) direkt neben der Futterstelle gibt. Wenn ich das hier so sage, klingt das selbst für mich völlig bescheuert. Aber beim Füttern springt schon wieder der nächste Gedanke durch den Kopf und das Risiko ist hoch, dass ich die leere Dose nicht bis zum normalen Gelbe-Sack-Platz kriege, sondern irgendwo – auf der Waschmaschine, auf dem Regal im Arbeitszimmer oder sonstwo stehen lasse, weil, ja weil da wieder eine Nuss dazwischenspringt.

Deshalb liebe ich kleine Schritte, geringe Umsetzungshürden. Die sind Gold wert.

Das ist auch mein Tipp für dich, wenn du immer mal wieder Aufgaben vor dir hast, die dich überfordern oder nerven. Content-Erstellung zum Beispiel.

Ich nehm mir schon lange nicht mehr vor, jetzt genau einen Blog-Beitrag zu schreiben. Das ist aufgeteilt. Ich suche mir Tage, die passen, um Themen zu recherchieren. Ein anderer Tag ist dafür da, den groben Aufbau zu planen. Das Schreiben selbst ist komplett losgelöst vom Einstellen in WordPress und der Bildrecherche. 

Step by Step. Der Gedanke an: du musst jetzt aber wieder was rausbringen setzt mich extrem unter Druck und ich verfalle in Eichhörnchen-Schockstarre. Und mach am Ende gar nix. In kleine Häppchen gepackt, ist das gar nicht mehr so schlimm.

Nicht alles muss sofort raus in die Welt

Und wenn die Kreativität kickt, ich unbedingt was loswerden will, lass ich es fließen. Mittlerweile aber nicht mehr direkt mit dem “Veröffentlichen-Button”, sondern in ein Google-Dokument. Da schreib ich runter, was mir gerade durch den Kopf geht, lass es stehen, sacken und entscheide später, ob es wirklich reif für die Welt ist.

Damit vermeide ich eine andere Macke: das so genannte Over-Sharing. Leute zutexten mit Informationen, die sie gar nicht interessieren oder die sie eigentlich nicht wissen wollen. Kann ich gut. Krieg ich mit diesem Trick aber etwas gebremst. 

Aufschreiben, rauslassen, liegen lassen und später entscheiden.

Warum gibt es jetzt diesen Blog?

Hier im Blog wird es nicht die ganze Zeit darum gehen, was ich so mache, wie ich Dinge empfinde oder regele. 

Der Fokus soll auf den Hacks liegen, die dir das Leben leichter machen. Vor allem, wenn du dich in den Beschreibungen gerade wiedergefunden hast oder aus anderen Gründen immer wieder dabei hängst, eigentlich wichtige Dinge, wie zum Beispiel konsequentes Content-Marketing in deinem Business durchzuziehen. 

Denn ja, ich bin ein Eichhörnchen. Aber eines, dass gelernt hat, dieses etwas anders sein ziemlich gut zu meistern. Und genau das möchte ich für dich auch. 

Wenn dir der Blog gefällt, dann freu ich mich über deinen Kommentar. Wenn du beim Lesen sofort an jemanden aus deinem Business-Umfeld denken musst, dann empfehle ihn gern weiter.

Es lohnt sich, dranzubleiben. Versprochen 😉 

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Ina Mewes, text and sell

Ich bin Ina.

Werbetexterin, Content-Coach und Squirrel-Brain.

Ich unterstütze vielbeschäftigte Online-Unternehmerinnen dabei, mit guten Inhalten in die Sichtbarkeit zu kommen und. zu verkaufen. Ohne Content-Hustle und Überforderung.

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