Was erfährst du in diesem Beitrag?
Aufschieberitis, Prokrastination – es gibt hunderte Begriffe für eine faszinierende Eigenschaft, die viele von uns in sich tragen. Da ist was, was wir erledigen wollen. Stattdessen doomscrollen wir aber lieber Reels auf Insta oder fangen an, Unkraut aus dem Beet zu picken. Obwohl wir wissen, dass jetzt eigentlich die Steuererklärung oder ein endlich mal wieder Content-Erstellung dran wären.
Jupp, erwischt, geht mir auch so. Ich hab aber nen coolen Hack für mich gefunden, der hilft. Und den möchte ich mit dir teilen.
Wenn meine Wohnung blitzt und blinkt, alle Papiere durchsortiert sind, gibt es mir sehr sehr hoher Wahrscheinlichkeit gerade eine Aufgabe, die ich prokrastiniere. Denn das ist eine ganz typische Übersprunghandlung bei mir. Da steht was an, auf das ich keine Lust habe oder wofür ich mich nicht motivieren kann. Also suche ich mir irgendwas anderes, was ja auch erledigt werden muss.
Wirklich zielführend ist das nicht. Denn das Argument “jaaa, ich musste ganz dringend den Klee aus dem Rosenbeet pflücken. Da ging die Steuererklärung nicht”, wird Finanzbeamte wohl eher nicht überzeugen.
Den Fokus auf das zu legen, was gerade wirklich wichtig ist, fällt manchen Menschen leicht, anderen extrem schwer. Ich gehöre zur zweiten Gruppe.
Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit der ehemaligen Vorsitzenden des Texterverbandes, heute Berufsverband Text und Konzept, erinnern, in dem wir über unsere Arbeitsweise gesprochen haben. Wohlgemerkt: nachdem wir 2 Jahre wunderbar im Vorstand harmoniert haben und sich daraus eine tiefe Freundschaft entwickelt hat.
Als ich ihr erklärt hab, dass ich ein extremer Deadline-Dancer bin, aber trotzdem irgendwie alles gut in Kontrolle habe, war ihre Reaktion ein halber Herzinfarkt. Wenn bei ihr ein Auftrag reinkommt, wird der schnellstmöglich sofort abgearbeitet, da sie sonst keine ruhige Nacht mehr hat. Ruhe kommt für sie erst rein, wenn sie geliefert hat, weit vor dem vereinbarten Termin. Das würde mir nie passieren. Ich hab meinen inneren Kalender im Kopf, weiß, wann was fällig ist und prokrastiniere so lange, bis ich wirklich Druck hab, abzuliefern. Was dann meist wunderbar funktioniert. Offenbar brauche ich diesen Druck. Stress macht es aber trotzdem immer wieder.
Warum Prokrastinierst du?
Keine direkte Belohnung
Da gibt es verschiedene Gründe. Der erste Gedanke, der mir da in den Kopf springt: Dinge, die nerven sind absolute Kandidaten. Aber eigentlich ist das falsch. Meist sind es Dinge, die Fokus brauchen, aber keine direkte Belohnung bringen. Wenn ich meinen Steuerkram rechtzeitig einreiche, gibt es keine lobende Mail von meinem Finanzamt-Menschen. Wenn ich einen Blogbeitrag veröffentliche, gibt es nicht automatisch ne Buchung meines Angebots.
Wir Squirrels leben davon, Nüsse zu jagen, zu sammeln, zu horten. Im realen Leben sind diese Nüsse direkte Erfolgserlebnisse. Sofort abrufbar, konstant funktionierend. Dopamin und so.
Content-Marketing ist das Gegenteil davon. Du musst planen (hey, das ist cool!), dann aber regelmäßig umsetzen und abwarten. Es ist ein Marathon, kein Sprint. Nix: ich mach mal drei Reels und dein Account geht durch die Decke. Pustekuchen. Du musst konstant dranbleiben. Erst einmal ordentlich liefern, bevor du die Ergebnisse siehst. Und wenn du nicht dranbleibst, bist du auch ganz schnell wieder weg vom Fenster. Schöner Mist.
Perfektionismus
Ein zweiter Grund, den ich bei meinen Kunden sehe, aber auch selbst von früher kenne: die Perfektionismus-Falle. Das was ich rausgebe, muss perfekt sein, darf keine Fehler enthalten, muss glitzern und glänzen, sich vom Rest leuchtend abheben.
Sorry Hörnchen, so läuft das nicht.
Perfektionismus ist in meinen Augen einfach nur eine andere Form von Prokrastination. Meine Mentorin Sigrun hat mir einen Satz ins Hirn gebrannt, der sehr hilfreich ist: Better done than perfect.
Ich lege als Texterin viel Wert auf ein gutes Deutsch. Sind meine Blogbeiträge deshalb fehlerfrei? Leider nicht immer. Denn wenn ich jedesmal darauf warten würde, dass jemand anders nochmal drüberliest, würde ich nur sehr selten veröffentlichen. Schreibe ich im Kundenauftrag, nehme ich mir mehr Zeit und hab dann auch meine Routine, wie ich das, was ich abliefere vernünftig redigiere. Tipps dazu findest du im Beitrag: Texte richtig editieren.
Sollte ich das auch auf meinen Content anwenden? Eigentlich ja. Dann würde es aber deutlich länger dauern, bis ich veröffentliche. Oder ganz hintenüberfallen, weil ich vergessen habe, dass da noch ein Text zu einem bestimmten Thema wartet. Sitzt ja kein Kunde im Nacken, der sich aufs Ergebnis freut, sondern nur mein Blog, der leise weint, weil er wieder kein Futter bekommen hat.
Was deine Sichtweise in Hinsicht auf Perfektion vielleicht ein klein wenig ändert: Bei allen Anzeigen, die ich bisher geschaltet habe, waren die Bilder, die nicht glattpolierte Stock-Fotos waren, die, die am besten funktioniert haben.
Wir sind so umgeben von gefühlt perfekt, dass das Unperfekte, Menschliche, viel besser ankommt. Also ja, leg Wert auf Qualität. Aber warte nicht mit dem Rausgehen bis mindestens drei Leute über deinen Text gelesen haben, dein Coach das Ganze auch noch abgenommen hat und deine Ur-Ur-Ur-Großmutter dir im Traum das Go gibt. Mut zur Lücke ist das Motto.
Zweifel
Ich hab lange unterschätzt, was für eine große Rolle Zweifel bei der Umsetzung spielen. Wann gehe ich nicht all in bei der Bewerbung eines neuen Angebots? Wenn ich zweifle, ob ich wirklich abliefern kann. Warum stehen sich meine Kundinnen mitten in der Verkaufsphase selbst im Weg, sind nicht mehr sichtbar, schicken die entscheidenden Mails nicht? Weil sie zweifeln. Ob das, was sie da rausbringen, wirklich zu ihnen passt und das ist, was sie in Zukunft machen wollen.
In meinen Augen gibt es DIE Zweifel und dann die anderen. Wenn du an dir selbst zweifelst und dich deshalb nicht raustraust – dann ist das dein kleines, nerviges Impostermännchen. Das Ding kann weg. Das steht dir nur im Weg und hält dich immer wieder zurück.
Du bist gut in dem, was du tust. Und das darf, nein muss bitte raus in die Welt.
Ja, andere sind weiter, haben mehr Erfolg (zumindest wirkt es im Außen so), sind schon da, wo du gern wärst. Aber diese Denke ist Quatsch. Denn hey – mit diesem Denken würde kein Kind mehr Lesen lernen. Denn die in der Dritten sind ja schon so viel weiter. Da lohnt es sich ja nicht mehr.
Wenn du allerdings zweifelst, ob du gerade in die richtige Richtung rennst, macht es eventuell Sinn, genauer reinzuschauen. Ganz in Ruhe, im Idealfall mit einem Coach oder Business-Buddy. Denn wenn du aus diesem Grund Dinge aufschiebst, spricht da dein Bauchgefühl zu dir und dann darfst du da mal reingehen.
Überforderung
Auch das kann ein Grund für Prokrastination sein. Wenn alles gerade zu viel ist, wenn du links und rechts ruderst, irgendwie versuchst, über Wasser zu bleiben, dann schiebst du automatisch alles, was nicht Dringlichkeitsstufe ultrarot hat. Logisch und völlig nachvollziehbar.
Das betrifft Trommelmännchen wie mich, aber auch Menschen, die mit anderen Herausforderungen zu kämpfen haben. Depressionen zum Beispiel. Da ist dann der “Überleben-Modus” an und damit nicht die Energie da, sich um Dinge zu kümmern, die nicht dringend notwendig sind.
In dem Fall sehe ich das aber nicht als Prokrastination, sondern einfach als Selbstschutz. Damit dir in solchen Situationen nicht auch noch das Thema Content im Nacken sitzt und dich noch mehr stresst, empfehle ich, vorzusorgen. Wie du das hinbekommst, erfährst du in Folge 6.
So wird's besser
Kleine Schritte - Aufgaben runterbrechen
Zuerst einmal schau dir die Aufgaben an, die du umsetzen willst und guck, wie du die in kleine Einzelschritte herunterbrechen kannst.
Beispiel Steuerkram: Ich muss meine Unterlagen zum Steuerberater schicken. Variante eins, die mich komplett überfordert: Hinsetzen, Konto aufrufen, dort alle Belege hinterlegen. Dauert Stunden. Weil ich mich zuerst im Programm anmelden muss, parallel dazu die einzelnen Rechnungen in E-Mails, auf Plattformen raussuche, die Dinger hochlade, mich ständig im Banking-Programm neu anmelden muss, weil die Sicherheitssperre reinspringt. Wenn ich den ganzen Kram dann mal fertig hab, geht die Info-Mail ans Steuerbüro, dass alles da ist und sie loslegen können. Das ist für mich Horror pur. Deshalb schiebe und schiebe und schiebe ich es.
Bin ich ständig zu spät dran? Jupp.
Kostet mich das immer mal wieder Mahngebühren, die ich vermeiden könnte? Ebenfalls Jupp.
Ärgerlich, hilft aber nicht wirklich, um das nächste Mal früher loszulegen.
Lösung: mein Steuerbüro hat mir eine bessere Variante der Zusammenarbeit gezeigt. Ich kann mich jederzeit in ihrer Cloud anmelden, dort einfach stapelweise Belege reinladen, ohne sie sortieren zu müssen und mein Steuermensch wird automatisch informiert, dass was neues reingekommen ist. Ist mein Steuerkram immer noch ein Drama? Nein. Das Problem hat sich in Luft aufgelöst, da ich mich häppchenweise darum kümmern kann.
Gerade für ADHSler wie mich sind Aufgaben wie “Wäsche waschen” gefühlt ein Riesenbatzen von Schritten und Entscheidungen. Bei dem jeder einzelne zum Abbruch führen kann. Ist meine Aufgabe im Kopf aber: wasch heute die schwarzen Sachen, wird das schon deutlich einfacher.
Übersprunghandlungen steuern
Zweiter Hack – Den hab ich jetzt vor kurzem erst entdeckt und er ist für mich ein Game Changer: Steuere deine Übersprunghandlungen.
Wenn wir prokrastinieren, suchen wir uns ja unbewusst oft andere Tätigkeiten, die auf einmal sooo wichtig erscheinen. Stichwort Klee im Rosenbeet. Effektiver ist es, wenn du dir regelmäßig aufschreibst, was gerade deine ARGHHH-Sachen sind, die wichtig sind, dich aber quälen. Am besten auf so Haftnotizen und dann irgendwo aufkleben, wo du sie im Blickfeld hast.
Wenn du dann merkst, dass du gerade um eines der Dinge herumschleichst und dich selbst null motiviert kriegst, probier mal einen Deal mit dir selbst. Ja, du musst den Steuerkram erledigen, das ist super wichtig. Aber geht gefühlt gerade so gar nicht. Welche von den Aufgaben auf deiner Liste wäre denn weniger schlimm?
Die Abschlussarbeit für mein Journalismus-Studium habe ich genau so fertiggestellt. Sie war im Vergleich zur Steuererklärung das kleinere Übel.
Das tolle daran: So kriegst du nach und nach doch einiges von dem gewuppt, das sonst Probleme bereiten würde. Und das Glücksgefühl, eine dieser Hürden gemeistert zu haben, nimmt ein wenig vom Schuldgefühl, weil du das, was eigentlich dran war, wieder nicht erledigt hast. Zumindest hast du die Zeit nicht sinnlos verplempert. Denn hey, ne blinkende Bude ist ja schön. Aber putzen kannst du immer noch.
So nutzt du es für deinen Content
Bei Content finde ich es immer optimal, mehrere Sachen in der Pipeline zu haben, gern in verschiedenen Entwicklungsstadien. Bei mir finden sich meist so 3 – 4 angefangene Blogbeiträge in den Dokumenten, ein paar fertige Aufnahmen für den Podcast, die aber noch nicht geschnitten sind, lungern auch irgendwo rum.
Steht Content auf dem Plan und es hakt, kann ich mir so meine Übersprung-Handlung aussuchen. Einen der angefangenen Beiträge zuende schreiben, Folgen fertig machen und hochladen oder Social Media Content für einen der Inhalte vorbereiten.
Irgendwas davon geht immer.
Fazit
Fehlt dir ein direktes Belohnungsgefühl, versuch dir das selbst zu erschaffen.
Spielen Perfektionismus oder Selbstzweifel rein, mach dir deine Stärken bewusst, hol dir nochmal Bestätigung von außen und das Loslegen wird einfacher.
Liegt es daran, dass du unsicher bist, ob es überhaupt passt oder Sinn ergibt? Such dir einen Business-Buddy und hol dir Klarheit.
Und handelt es sich um etwas, was einfach immer wieder ein Problem für dich ist, versuch deine klassischen Übersprunghandlungen zu ersetzen. Indem du eine zwar auch nervende, aber im Moment weniger quälende Aufgabe erledigst.
Erzähl mal, welche Tricks nutzt du denn, um der Aufschieberitis Herr zu werden?