Richtig Gendern – ist es nötig? Und wenn ja, wie setzt du es um?

richtig ändern
Ina Mewes

Ja, nein? Und wenn, wie?

Gendern ist für mich gefühlt das Corona der Sprachwelt. Nein, nicht so unbeliebt. Aber so kontrovers diskutiert.

Vor kurzem konnte ich das wieder live im Texterverband mitbekommen. Da sitzen Schreibprofis wie ich und diskutieren wild hin und her, ob Gendern Sinn macht oder totaler Müll ist, der die Sprache vergewaltigt. Spannend, sag ich dir.

Wenn du jetzt denkst, dass nur „alte weiße Männer“ mit dem Gendern ein Problem haben, hast du dich getäuscht. Gerade ältere Kollegen sind dem Thema gegenüber sehr offen. 

Schließlich geht es in unserem Job ja darum, Menschen, Kunden anzusprechen. Und wenn wir die sprachlich nicht abholen, haben wir unseren Beruf verfehlt. Auf der anderen Seite kenne ich viele Frauen, die Gender-Sternchen und Binnen-I total daneben finden.

Ich versuche dir mal einen kleinen Überblick über die jeweiligen Argumente zu geben. Und anschließend ich zeige dir, welche Möglichkeiten es gibt, tatsächlich richtig zu gendern. 



Argumente für und wider das Gendern

Gendern versaut unsere schöne Sprache

Sternchen hier, Doppelpunkt da. Ständig irgendwelche Schrägstriche, um ja auch alle mitzunehmen. Das passt doch nicht zu unserer tollen Sprache! Es gibt schon so viele andere Dinge, die einfach nur so lange falsch gemacht werden, bis der Duden sie anerkennt. Dann bitte nicht noch etwas Neues, was überflüssig ist wie ein Kropf. Ging doch bisher auch ohne. Unsere Sprache ist schließlich auch Teil des Kulturgutes.

Sprache lebt und verändert sich, immer

Ok. Zugegeben, wenn man richtig sauber gendert, lesen sich Texte tatsächlich etwas holprig. Auf der anderen Seite ist Sprache eben kein starres Gebilde, dass sich nur mal verändert, wenn ein paar neue Begriffe im Duden aufgenommen werden.

Sprache bildet aktuelle Lebenswelten unserer Gesellschaft ab. Sie ändert sich ständig. Und zur heutigen Gesellschaft gehört eben, dass sie sich immer bewusster wird, wo Gleichberechtigung immer noch hintenüber fällt. Und da meine ich nicht explizit die Gleichberechtigung der Frau, sondern von allen, die nicht in klassische Schemata passen. 

Die Anderen sind doch mitgemeint

Das sprachliche Geschlecht hat ja nicht zwangsweise was mit den natürlichen zu tun. Der Mond ist kein Mann und die Sonne keine Frau. Demnach ist „der Arzt“ ja nur eine Berufsbezeichnung, die eben alle mit einschließt.

Ähm, nein. Sind sie nicht. 

Zumindest waren sie es nicht. Das die meisten Berufsbezeichnungen männlicher Natur sind, liegt vor allem daran, dass Frauen früher Kind und Herd hüten mussten, statt Ärztin zu werden. Das Ergebnis davon ist, dass ich beim Wort „Bauernverband“ einen Saal voll Männer vor Augen habe. Und ich glaube nicht, dass das bei dir anders ist. 

Wenn das mit dem „Mitmeinen“ wirklich funktionieren würde, wäre es doch auch kein Problem, ab sofort das generische Femininum einzuführen, also grundsätzlich die weibliche Form zu nutzen. Denn Mann ist ja mitgemeint. 

Schön fand ich auch die Aussage, dass ein potentieller Nachfolger von Frau Merkel ja weiter Bundeskanzlerin heißen könne. Schließlich ist die neue Generation ja mit diesem Begriff fürs Amt groß geworden. 

Gendern ändert doch nichts an der Position der Frau oder von Nicht-Binären Menschen

Nur weil in der Stellenanzeige jetzt Shopmanager (m/w/d) steht, erhält eine Bewerberin immer noch nicht das gleiche Gehalt, wie ihr Kollege. So weit wir in vielen Bereichen sind, es gibt noch viel zu tun.

Insbesondere die Anerkennung des dritten Geschlechts (für Menschen, die sich eben nicht klar weiblich oder männlich einordnen) war ein großer Schritt. Aber diskriminiert werden sie ja irgendwie trotzdem noch oft. Da kann man noch so viele Begriffe und Sternchen einführen. Eine andere Benennung ändert ja nicht die Realität.

Und, so der Vorwurf, es wird ja auch nur Positives gegendert. Von Kriminell*innen ist nirgendwo zu lesen. Oder von Nazi*innen. Und das ist auch nicht sauber.

Sprache prägt das Denken

Was geschieht, wenn immer wieder von Rassenschande, Untermenschen und Co. gesprochen wird, haben wir im Geschichtsunterricht gelernt. Klar spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Aber es gibt einen guten Grund, warum Propaganda sehr viel mit Sprache und Begrifflichkeiten zu tun hat.

Auch in der Werbung versucht man mit Sprache zu bewegen. Ein schönes Beispiel ist das Wort „googeln“, dass es schon eine Weile in den Duden geschafft hat. Jeder weiß, was es bedeutet. Die Frage ist, googlen wir bei Google, weil es die beste Suchmaschine ist (oder wir es denken)? Oder weil der Begriff nahelegt, dass das der normale Weg der Internetrecherche ist? 

Ähnlich ist es mit dem Gendern. Selbst wenn es sperrig ist, macht es doch deutlich, dass es mehr als „Ärzte“ und „Bauern“ gibt und dass die Verfasserin bewusst diese Form gewählt hat, um geschlechtergerecht zu schreiben. So dringt das Thema immer mehr ins Bewusstsein. 

Fakt ist, dass wissenschaftliche Studien mehrfach gezeigt haben, wie sehr doch Sprache unser Verständnis prägt. Steht in einer Stellenanzeige, es wird ein Shopmanager gesucht, bewerben sich deutlich weniger Frauen als wenn beide Bezeichnungen, Manager und Managerin genannt werden.

Lernen Kinder beide Berufsbezeichnungen, ist in ihrem Kopf viel eher der Gedanke, hey, könnte ich auch werden. Und das gilt nicht nur für Mädchen, die Astronautin werden wollen, sondern auch für Jungs in klassischen Frauenberufen.

Gendern oder nicht?

Du siehst, es gibt Argumente für und wider. Manche sind absurd, andere nachvollziehbar. Fakt ist, Gendern macht das Schreiben sperriger. Es erfordert Übung und Konsequenz. Denn ja, es ist keine langsam gewachsene Entwicklung. Aber, es macht Sinn.

Mein Rat an dich: Schau dir deine Zielgruppe an

Gerade die jüngere Generation ist deutlich sensibler und springt ab, wenn du Begriffe nutzt, die politisch inkorrekt sind oder sexistisch wirken. Im schlimmsten Fall riskierst du einen Shitstorm. Ok, wenn du nicht genderst, wird das eher nicht passieren, aber du könntest Kundinnen verlieren, weil sie deine Ansichten für verstaubt halten. 

Andersherum werden dir die Leute weglaufen, wenn du auf einmal die extra-korrekte Variante mit Gender* oder Doppelpunkt wählst und deine Leser hauptsächlich aus dem CSU-Lager stammen. Für viele ist nämlich „scharfes Gendern“ wie ich es nenne, ein Zeichen von links-grün-versifft. Entschuldige bitte diese Wortwahl. Du weißt sicher, dass ich so nicht denke oder rede. Aber es gibt diese Leute und die tun sich schwer mit Veränderung.

Das Schöne ist, es gibt auch einen Mittelweg. Gendern ja, aber mit Bedacht und ohne den Lesefluss zu stören. Denn das ist auch ein Fakt: Es bringt dir nichts, geschlechtersensibel zu schreiben, wenn Leser abspringen, weil es zu sperrig wird. 

In meinen Augen ist es schon ein guter Schritt, wenn man Frauen mehr Sichtbarkeit in der Sprache gibt. Genau genommen sollten wir alle so gendern, dass nicht-binäre Menschen auch mit abgebildet sind, persönlich empfinde ich es aber als schwierig, das auch so umzusetzen, dass der Inhalt nicht leidet. Und das sprachliche „Patriarchat“ aufzubrechen, ist ja schon mal ein guter erster Schritt. 

Richtig gendern

Nennung beider Geschlechter

Das ist die einfachste Lösung. Liebe Bauern und Bäuerinnen. Verehrte Kundinnen und Kunden. Solange die Begriffe nicht zu lang sind, mag das funktionieren. Ziehst du das konsequent durch, hast du aber ständig Wortwiederholungen im Text und das ermüdet. Dazu kommt: wenn die Begriffe lang sind, liest es sich auch blöd. 

Binnen-I

Grundsätzlich ist der Ansatz sinnvoll. Statt „Lehrer/-innen“ zu schreiben, wird zusammengezogen und das „I“ für die weibliche Bezeichnung groß geschrieben. Damit ist klar – ich rede nicht von der Lehrerin Frau Schulz, sondern von einer LehrerIn, also der Berufsbezeichnung in gegenderter Form. Ich persönlich tu mich schlicht und ergreifend schwer damit, weil es sich nicht so flüssig tippt. Eine wirkliche Ausrede ist das aber nicht 😉

Abwechslung

In meinen Augen die einfachste Form zu gendern. Statt alle Bezeichnungen im generischen Maskulinum, also der männlichen Form zu schreiben, wechselst du einfach immer wieder. So wird deutlich, dass du die Begriffe nicht automatisch Mann oder Frau zuschreibst, sondern beide diese Position einnehmen können. 

Pass aber auf, dass du nicht in alte Klischees verfällst. Wenn dann der Arzt die Hausfrau behandelt und der Bauer eine Krankenschwester braucht, bist du wieder genau da, wo du rauswolltest. 

Direkte Ansprache

Mein ewiges Mantra: „direkte Ansprache“ hilft auch beim Gendern. Denn wenn du nicht darüber referierst, welche Vorteile Kunden bei dir haben, sondern welche Vorteile „Sie“ oder „Du“, ist das Problem direkt gelöst.

Neutrale Begriffe

Nur weil die männliche Form Standard ist, heißt es nicht, dass es nicht auch eine neutrale Variante gibt. Und – die neutrale Form bezieht sich eben gar nicht auf das Geschlecht. 

Spannend fand ich, dass Studien zeigen, dass in Ländern, wo die Sprache anders tickt, Frauen eher arbeiten, Unternehmen gründen und leiten und auch in der Politik aktiver sind. Bestes Beispiel Englisch. The women, the man, the child. The, the the. 

Unsere Sprache ist leider so gestaltet, dass durch die Personalpronomen Begriffen automatisch ein Geschlecht zugeordnet wird. Aber es gibt oft Alternativen.

Es macht also absolut Sinn, nach neutralen Begriffen zu suchen und diese zu nutzen. Am besten notierst du dir die, die du häufiger nutzt. So hast du sie immer zur Hand und sie werden nach und nach ganz selbstverständlich in deinen Sprachgebrauch übergehen. Statt die Lehrer – Lehrerschaft, statt Krankenschwester – Pflegepersonal, statt Putzfrau – Reinigungskraft. 

Leider funktioniert das nicht für alles, aber wenn, würde ich immer auf solche Varianten zurückgreifen.

Die bisher genannten Formen, zu gendern, lassen sich wunderbar untereinander kombinieren.

Die folgenden Varianten solltest du aber nicht mixen, sonst wird es absolut unübersichtlich.

gendersternchen verstehen

Gender-Sternchen, Unterstrich und Doppelpunkt

Bei diesen Formen geht es bewusst darum, wirklich alle Geschlechter abzubilden. Das Sternchen, der Strich und die Punkte symbolisieren dabei alles, was nicht explizit männlich oder weiblich ist. Offiziell anerkannt ist keine der Formen, alle haben sich aber schon gut durchgesetzt und werden verstanden. Wenn du in dieser Form gendern willst, würde dir zum Doppelpunkt raten, denn er hat den Vorteil, auch von Vorlese-Tools verstanden zu werden. 

Barrierefreiheit ist nämlich auch ein großes Thema. Und wenn jemand mit Seh-Einschränkung ständig von Kund-Sternchen-innen hört, ist das auch nicht optimal. Der Doppelpunkt zieht aber nur eine kurze Pause nach sich. Und das ist ja insgesamt in der gesprochenen Sprache die Variante, gendergerecht zu reden

Wie genau funktioniert die Anwendung? Es ist ganz simpel. Du schreibst die weibliche Form und setzt das jeweilige Symbol direkt vor den Wortteil, der es weiblich macht. 

Wenn du ganz korrekt schreiben willst, musst du in der Einzahl aber auch beide Personalpronomen nehmen, also der und die. 

der*die Lehrer*in

der_die Lehrer_in

der:die Lehrer:in

Nachteil des Ganzen: es macht Texte teilweise sehr schwer zu lesen. Du musst also abwägen, was wichtiger ist. Und wie gesagt: ob deine Zielgruppe das mag oder nicht. 

Neue Formen

Es gibt immer wieder Ansätze, Begriffe neutral zu gestalten, indem man komplett anders rangeht.

Eine Variante ist, die Endung durch ein X zu ersetzen. Oder durch ein Y beziehungsweise YS. Da bin ich dann eine Texty und meine Kollegen und Kolleginnen Textys. Ob sich davon etwas wirklich durchsetzt, wage ich zu bezweifeln. Insofern würde ich das nur nutzen, wenn deine Zielgruppe schon diese Sprache nutzt und versteht.

Das waren die Möglichkeiten, wirklich geschlechtersensibel zu schreiben. Also auch nicht-binäre Menschen einzuschließen.

Egal, welchen Weg du hierbei wählst, bleib bei einer Variante. Alles andere bringt noch mehr Durcheinander.

Nicht alles gendern!

Ein Grund, der dafür sorgt, dass Gendern schief angeschaut wird, ist der teilweise Übereifer, der zu spannenden Stilblüten führt.

Ein Kind bleibt ein Kind und ist keine Kind:in. DAS Kind ist nämlich in rein sprachlicher Hinsicht sächlich. Und das betrifft auch viele andere Begriffe. Gegendert werden, wenn dann, verallgemeinernde Personenbezeichnungen und dort nur die, die sprachlich männlich oder weiblich sind. Das Mitglied bleibt also das Mitglied, die Katze die Katze und der Hund der Hund. Und Mikrofon:innen gibt es auch nicht.

Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn es um eine konkrete Person geht, fällt das Gendern weg. Der (konkrete) Arzt, der das Kind behandelt hat, ist Arzt, nicht Ärzt*in.

Fazit:

Gendern oder nicht ist eine hochumstrittene Frage.

Viele Argumente sprechen dafür, einige wenige dagegen. Fakt ist, es macht Sinn. Denn einerseits kannst du mit einfachen Mitteln ein bisschen was im Denken verändern. Zum anderen sind gerade jüngere Zielgruppen mittlerweile deutlich sensibler bei dem Thema. Für uns ist es noch ungewohnt, mit der Zeit wird es aber völlig normal werden. 

Richtig sauber sind die Varianten, die mit Gender-Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt arbeiten. Sie lesen sich aber oft sehr holprig.

Die beste Variante sind neutrale Begriffe, die überhaupt keinen Bezug zum Geschlecht haben. Zusätzlich kannst du einfach beide Formen nennen oder wechseln. 

Übrigens ist das das, was ich hier in diesem Text getan habe. Und mal ehrlich, ist es dir negativ aufgefallen?

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Werbetexterin, Content-Coach und Squirrel-Brain.

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