Was du sagst und was du tust … Meine Learnings als Mutter

Es hat mehr als 40 Jahre gebraucht, um zu verstehen, wo bei mir die Haken hängen.

Ich bin ziemlich emanzipiert groß geworden. Die Frauen in meiner Familie waren immer starke Persönlichkeiten. Von klein auf war mir klar: mach dich nie abhängig von einem Mann. Übernimm selbst die Verantwortung für dein Leben. Und: du kannst alles erreichen, du musst dich nur reinhängen.

Nun, mit dem Reinhängen war so ne Sache. Meine Interessen schlugen in jungen Jahren kreuz und quer und auch heute noch merke ich, wie ich aufpassen muss, mich nicht zu verzetteln oder irgendwelchen Eichhörnchen hinterherzurennen. Irgendwann kam meine Tochter und hat mich geerdet. Hat mir den Sinn im Leben gegeben, den ich so lange gesucht hatte. 

Dementsprechend war es mir auch sehr wichtig, genau dieses Gefühl weiterzugeben. Du kannst alles erreichen, nichts steht dir im Weg. Vertraue dir und deinen Fähigkeiten und dann passt das. 

Lange hat es gepasst, so dachte ich zumindest. Aber irgendwann war klar, hier läuft etwas schief. Ich wusste nur nicht, warum.

Und dann sitze ich irgendwann im Gespräch mit der Therapeutin meiner Tochter, frage, was falsch gelaufen wäre, ich hab ihr doch immer wieder gesagt, dass ihr alle Türen offenstehen, dass sie Vertrauen haben soll in sich selbst und das was sie kann. Warum sie solche Zukunftsangst hat, zweifelt, verzweifelt. Ich verstehe es nicht. 

Die Antwort hat mich ziemlich kalt erwischt und hing lange nach: “Frau Mewes. Sie sagen ihrer Tochter viel. Aber was leben Sie ihr vor? Ja, sie sind erfolgreich, bekommen Anerkennung, ein wirklich gutes Gehalt, aber was sieht ihre Tochter?”

 

Ja, was sah sie damals? 

Eine Mutter, die eigentlich nie da war. Die Überstunden schob, das Telefon ständig parat, falls es in der Firma brennt. Wenn wir zusammen unterwegs waren, war das kein Familienurlaub, ich hatte meistens eine Reisegruppe dabei, die ich umsorgen musste oder wir brachen ab, weil ich schnell wieder ins Büro musste, weil irgendwas quer gelaufen ist. Ständig in Angst, dass ich nicht reiche, in Sorge, ob ich irgendwas nicht gut genug erledigt hatte.

Wie oft habe ich diese Aussetzer damit begründet, dass das gerade wichtig sei. Dass ich Geld verdienen müsse, um unser Leben zu finanzieren. Wie oft hat sie erlebt, wie ich kämpfe und verzweifle. Wie ich am Abgrund stehe, mich doch irgendwie wieder motiviere, nur um wenige Wochen wieder an der gleichen Stelle zu sein. 

Da war der Haken, das Mantra, der Glaubenssatz, der bei mir falsch programmiert war: Du musst dich nur genug anstrengen, dann wird das schon. 

Bullshit. 

Ich hätte mich im Kreis drehen können. Ich war dort falsch. Gefangen in einer Jobbeschreibung, die so gar nicht dem entsprach, was ich bin. Klar, ich hab mich wunderbar in Steuerfragen, Personalkram, Zahlen, Daten, Statistik eingearbeitet (und profitiere jetzt als Texterin von dem Knowhow), aber das war ich nicht. Ich bin die kreative und spontane Problemlöserin, die Empathin, die mit Worten umgehen kann.

Wie klar muss ihr gewesen sein, dass ich eben nicht das tue, was ich liebe, sondern das, was ich muss. Ja, auch mit Spaß, weil das Team einfach toll war. Aber doch so gar nicht in meinem Element.

 

Was habe ich meiner Tochter da vorgelebt?

Im Nachhinein bewertet man Situationen und Dinge immer anders. Weil man den Blick der Erfahrung dabei hat. 

Ich habe meinen alten Job geliebt, gerne mit den Menschen zusammengearbeitet, die dieses Team ausmachten. Und ja, ich schaue immer noch mal, wie es dort läuft, hoffe, dass Corona und die jetzige Krise nicht zu tiefe Spuren hinterlassen. Aber ich war dort falsch.

Es hat lange gebraucht, um es zu begreifen. Die Krise meiner Tochter, zwei Hörstürze, Panikattacken und irgendwann nur noch die große Leere und Verzweiflung. 

Der Sprung in die Selbstständigkeit war die beste Entscheidung meines Lebens. Weil ich jetzt das mache, was ich liebe und dann auch noch zu meinen Konditionen. Meine Tochter braucht mich? Ok, kurze Mail an meine Kundinnen und der Tag ist frei. Ein Projekt passt null zu meinen Werten? Kein Thema, es kommt schon was anderes. 

Ich habe gelernt. Und ich habe meine mittlerweile erwachsene Tochter als Spiegel. Wir sind beide gewachsen. Jeder für sich, aber auch gemeinsam.

Und wenn ich eines daraus gelernt habe: 

Erzähl deinen Kindern nicht, wie das Leben laufen kann, schau lieber darauf, was du ihnen vorlebst.

4 Antworten

  1. Riesenthema. Und Herzensthema Nr. 1, wenn man Kinder hat.

    Ich habe 4 Kinder Mitte 30 und wenn mir (unter einigen Trümmerhaufen und mit einem Restnest immer noch ungelegter Eiern) eines wirklich gelungen ist, dann diese nahen, offenen und von einer starken gegenseitigen Zugehörigkeit geprägten Beziehungen auf Augenhöhe, die mich mit meinen Kindern verbinden. Und die mich glücklich machen.

    Im Rückblick glaube ich, ist eine Sache entscheidend wichtig. Ein Punkt, an dem sich schnell abzeichnet, ob man irgendwann später zum durchaus geliebten, aber schon lange nicht mehr ganz ernst genommenen “Väterchen/Mütterchen” wird oder auf Augenhöhe und im echten Kontakt miteinander alt wird.

    Sobald die Kids in die Pubertät kommen: dann aber ganz schnell vom elterlichen Thron runter! Keine Predigten, wie das Leben läuft, keine aufgewärmte elterliche Lebenserfahrung als liebevoll eingepackte Wegzehrung für den Taumel durch die Pubertät! Sondern: teilnehmen, zuhören, offen fragen, die kids begleiten, soweit sie das überhaupt wollen, und sie auf jeden Fall in ihrer Vorläufigkeit und pubertäten Ab- und Aufgedrehtheit ernst nehmen. Klar gibt es viele Grautöne, Fehler, sowohl-als-auchs und elterliche Co-Unsicherheit. Aber die Kinder spüren sofort, ob man sich auf seinem alters- und rollengemäßen Erfahrungsvorsprung ausruht bzw. sich dahinter versteckt und sich damit NICHT auf dieses superbrandneue, wahnsinnig spannende Leben des Kindes mit einlässt – oder ob man bereit ist, diesen Schritt mitzugehen. Ein bewusster “Abstieg Richtung Augenhöhe”, ein Abschied von der Macht, nicht zähneknischend und peu a peu erzwungen, sondern aus Freude über das aufblühende Leben der über alles geliebten Schnuckis. Natürlich läuft das nicht bilderbuchmäßig ab und die 1001 trotzdem gemachten Fehler passieren schon fast von alleine, aber darauf kommt es nicht an. Die Kids spüren diese grundsätzliche Bereitschaft, sich auf den geforderten game change einzulassen und – das ist meine Erfahrung – geben das so dankbar zurück, dass es sogar die Weichen für die künftige, im Prinzip lebenslange Beziehung stellt.
    In diesem Sinne möchte ich dein Resüme, liebe Ina, leicht variieren:
    ERZÄHL DEINEN KINDERN NICHT, WIE DAS LEBEN LAUFEN KANN, GEH LIEBER DAS LETZTE STÜCK, DAS IHR NOCH ZUSAMMEN VERBRINGT, MIT IHNEN MIT!

    1. Da sprichst du einen ganz wichtigen Aspekt an, Tom.

      Dass wir mittlerweile ein so fantastisches Verhältnis haben, liegt an genau diesem Umstand. Wir reden auf Augenhöhe, schon eine Weile. Die Probleme von Kindern ernst nehmen, nicht altklug kleinreden, das macht viel aus. Und auch eigene Probleme offen teilen, damit zwar Schwäche zeigen, aber eben auch, dass das für Erwachsene genauso normal ist. Der von dir erwähnte positive Nebeneffekt ist, dass man selbst auch noch viel lernt und so in gewisser Weise jünger bleibt (zumindest im Kopf ;)).

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