Was erfährst du in diesem Beitrag?
Dass ausgerechnet ich irgendwann mal meine Liebe zu Neustrelitz und Mecklenburg erkläre, hätte ich früher nie gedacht. Mit 18 gab es für mich nur ein Ziel – bloß raus hier, weg vom Kleinstadtmief und der Spießigkeit.
Aber was ist eigentlich dran an den Vorurteilen? Kommt hier wirklich alles 50 Jahre später? Ist Berlin tatsächlich die erstrebenswerte Insel im Niemandsland?
Arbeiten und leben, wo andere Urlaub machen
MeckPomm ist mehr als nur Ostseeküste. Gerade die Kleinseenplatte ist ein Paradies für Naturliebhaber wie mich. Spätestens, wenn im Februar die ersten Kranichzüge übers Land ziehen, erwacht hier wieder alles zum Leben.
Geweckt werden von Lerche und Amsel, schlafen gehen mit Nachtigall und Käuzchen – es gibt wahrlich Schlimmeres.
Ja, man hat teilweise lange Wege von Ort zu Ort, aber nur, weil man ständig um irgendeinen See mit glasklarem Wasser herum fahren muss. Gerade jetzt im Sommer denke ich mit Grauen zurück an 30° im Schatten und nur ein hoffnungslos überfülltes und gekacheltes Freibad in der Nähe.

Hier ist echt nichts los
Wenn das mal so wäre. Wie oft stehe ich am Wochenende vor der Qual der Wahl.
Lieber zum Konzert im Kunsthaus, oder doch zum Festival im nächsten Ort?
Das Neustrelitzer Theater spielt auf hohem Niveau und die Tanzkompanie gehört zu den besten und modernsten Tanztheatern Deutschlands. Und wenn gar nichts geht, sind Berlin und Rostock jeweils eine knappe Stunde mit der Bahn entfernt. Schneller war ich früher auch nicht bei der Freundin in Friedrichshain.
Oft verzichten wir aber auf all das und genießen noch einen Vorteil der Kleinstadt – irgendjemand hat immer die Feuerschale an, man trifft sich, trinkt gemeinsam ein Bier und die Gitarre wird rausgeholt. Freundschaften pflegen ist hier deutlich einfacher.

Die Meckelbörger sind unnahbare Sturköppe
Ok, Sturköppe sind se wohl. Aber liebenswerte.
Neue Leute werden erstmal in Augenschein genommen. Wenn man aber entspannt und offen rüberkommt, wird man ganz schnell in die Kneipenrunde aufgenommen und kommt aus dem Reden kaum noch raus.
Wenn sie dich erstmal ins Herz geschlossen haben, dann bleibst du da auch. Egal ob du für drei Tage oder drei Jahre nicht mehr in der Nähe bist.
Die meisten Mecklenburger wirken auf mich deutlich offener und toleranter als die Veggi-Bürger vom Prenzelberg. Leben und leben lassen ist hier Motto.
Soll doch jeder machen, wie er will, Hauptsache, er belehrt mich nicht ständig, wie es besser ginge.

Hier redet jeder über jeden
Stimmt. Es ist halt ne Kleinstadt. Trotzdem bin ich oft überrascht, dass die wirklich wichtigen Neuigkeiten ewig brauchen, um die Runde zu machen.
Als Teenie ist das nervig hoch zehn.
Irgendwann lernt man aber, dass es völlig egal ist, was die Leute reden. Und es hat auch Vorteile, wenn man sich kennt.
Berlin habe ich immer als ziemlich anonym und einsam erlebt. Sicher findet man Freunde, es ist aber deutlich schwieriger, sich zu sehen und gemeinsam Zeit zu teilen. In Neustrelitz musst du beim Einkaufen mindestens eine halbe Stunde mehr einplanen, weil irgendwer immer gerade auch im Gang steht und kurz mal hören will, wie es dir so geht.
Arbeit ist Mangelware
Stimmt so nicht.
Klar gestaltet sich die Jobsuche manchmal schwierig. Auf der anderen Seite gibt es aber doch viele Firmen, die händeringend Leute suchen, teilweise bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen als beispielsweise in Berlin bieten.
Man muss halt schauen. Und überlegen, was man will. Managergehälter findet man nicht viele, dafür aber etwas Unbezahlbares: Lebensqualität.
Nein, ich will hier nicht weg
Mag sein, dass das nur mein ganz individueller Eindruck ist. Und mein Reisen würde mir auch fehlen.
Aber um nichts auf der Welt würde ich meine Abende mit lieben Freunden in Basement, im Proberaum oder bei uns auf der Terrasse missen wollen.
Und wenn der Kopf mal richtig von der Arbeit qualmt, setz ich mich aufs Rad und fahr ne Runde Rehe gucken. Oder Baden. Oder zum Fischer, wo es die besten Backfischbrötchen der Welt mit Blick auf den Zierker See gibt.
Und da lass ich die Beine im Wasser baumeln und schau den Urlaubern auf ihren Booten zu, die viel Geld bezahlen, um das zu genießen, was ich täglich haben darf.
Angekommen, endlich …
