Geht’s noch? Marketing von 18-hundert pieps. Bitte nicht. Wir sind weiter

frau mit Kreditkarte shoppen
Ina Mewes

Ein kleiner Rant über eine große Kaufhauskette. Beziehungsweise deren Werbeabteilung

Es kommt ja selten vor, aber jetzt muss ich mir doch einmal Luft machen. Und in gewisser Weise passt das Thema auch zum Texten. Denn das, worüber ich mich aufrege, hat irgendein Kollege verfasst. Eine Kollegin wohl eher nicht (hoffe ich zumindest).

Worum geht es?

Einen Werbespot im Radio.

Da fragt der Papa den Sohnemann, wo denn die Mama sei. “Nur kurz mal im Kaufhaus Stolz, die haben grad ne Rabatt-Aktion”. Die Antwort des Papas sinngemäß: Mama bei Stolz, mit meiner Karte und Rabatt, das kann kein kurzer Ausflug sein. Beide lachen einvernehmlich und Schluss.

Sorry, was für eine sexistische, vorurteilsvolle Sch*** ist das denn bitte?

Mama, die mit der Karte von Papa dessen hart erarbeitetes Geld mal eben auf den Kopf haut. Für Klamotten, was sonst. Schön mal ganz tief in die Klischee-Kiste gegriffen.

Dazu sollte man wissen, dass dieses Kaufhaus eigentlich eine Kette ist, die vor allem in Mecklenburg beheimatet ist. (Ich korrigiere, hier mit den meisten Filialen vertreten ist). Einem Bundesland, wo das klassische Rollenbild: Papa holt die Kohle rein, Mama tingelt den Tag durch Shops und kümmert sich ansonsten um Kinder und Haushalt, eher dünn vertreten ist. Denn zum einen sind gut bezahlte Jobs, die eine komplette Familie ernähren, eher selten. Zum anderen arbeiten Frauen hier auch aus reinem Selbstverständnis. Eigentlich ist Gleichberechtigung hier seit Jahrzehnten gelebte Normalität.

Also wie bitte entsteht so ein Spot? Wer sitzt da und schlägt in einer Werberunde vor: “Hey, lass uns mal nen Spot machen, in dem der Papa seinem kleinen Sohn die Frauen erklärt. Und lass uns dabei mal schön im Stil der 50er Jahre bleiben, wird bestimmt lustig”

Ich redigiere aktuell die Biografie meines Vaters, aufgewachsen in einer Mecklenburger Kleinstadt in den 50ern. Da kommen viele Frauen vor. Und keine davon saß zu Hause, hat die Hände in den Schoß gelegt und auf den Gehaltsscheck vom Papa gewartet. Und ich kenne heutzutage auch nur sehr wenige Frauen, die das tun.

Aber was hat das mit dem Texten zu tun? Nun, es ist ein wunderbares Beispiel, wie man komplett daneben greifen kann.

Werbung soll Zielgruppen ansprechen.

Die Zielgruppe von Stolz sind tatsächlich eher Frauen. Denn ja, das Angebot ist gut und bezahlbar.

Wenn ich meine Zielgruppe aber zur Zielscheibe für überholte Vorurteile mache, erreiche ich wohl eher das Gegenteil. Und selbst wenn der ein oder andere Mann beim Hören schmunzelt und seine eigenen kleinen Macho-Gedanken bestätigt sieht, wird er wohl eher nicht nach Hause fahren, seiner Frau seine Karte in die Hand drücken und sagen: “Fahr mal zu Stolz, die haben Rabatt-Aktion. Viel Spaß.”

Also noch einmal: Wer bitte kommt auf so einen Mist? Warum steht da keiner auf und sagt, dass das voll nach hinten losgehen kann? Ein Radiospot wird ja nicht von einer Person im stillen Kämmerlein erstellt. Da gibt es eine Marketingabteilung (lasst mich raten, inhaltlich oder textlich wohl eher keine Frau in Verantwortung), eine Geschäftsführung, die Marketingmaßnahmen absegnet und eine Produktionsfirma. Dass die nicht gegensteuert, verstehe ich sogar. Kunde ist König, die setzen nur um. Aber der Rest? Irgendeiner mal kurz gezögert?

Ich weiß nur eines, ich werde wohl erst einmal eine Weile einen großen Bogen um die Filialen machen. Und ein bisschen hoffe ich, dass es anderen Frauen genauso geht. Vielleicht merken dann die Verantwortlichen mal, wie gute Werbung nicht geht. Nämlich so.

Außer, der Plan war, einen Shitstorm zu provozieren. Frei nach dem Motto: “Hauptsache Reichweite, egal wie”.

Was meinst du, reg ich mich hier umsonst auf? Sollte man über so etwas hinwegsehen? Ist halt niveauloser Humor, aber egal?

Oder geht dir auch ein bisschen die Hutschnur hoch? (In dem Fall freu ich mich übers Teilen, dann bekommt dieser Rant ein bisschen mehr Reichweite und kommt vielleicht sogar da an, wo er hingehört)

5 Antworten

  1. Die Kaufhauskette Stolz hat ihren Hauptsitz im nordwestlichen Teil Deutschlands und dort auch einige Filialen, ebenso welche eben in Mecklenburg. Diese Kette will auch noch expandieren und wohl auch nach Rechlin an der Müritz, um dort eine Filiale zu errichten.
    Nach über 30 Jahren Deutsche Einheit ist man oftmals im Westen der Meinung, dass eine Frau sn den Herd gehört und Haus und Kinder zu versorgen hat. Dass im Osten die Frau eine andere Stellung hatte, wird zu oft negiert und es herrscht die Meinung, dass nur eine “westliche” Frau eine gute Frau ist. Ein völlig überholtes Bild, dass aber auch im Westen allmählich verschwindet. Und das ist gut so.
    Der Werbespot von Stolz dürfte tatsächlich nach hinten losgehen, zumal mittlerweile die Berieselung mit derartiger Werbung kaum oder selten Gehör findet. Der Konsument ist anspruchsvoller geworden und geht zielgerichtet einkaufen. Aufgrund der ständigen Teuerung können sich immer weniger Menschen ein verschwenderisches Shoppen eh nicht mehr leisten.
    Immerhin ist Stolz mal wieder im Gespräch und deren Prospekte werden intensiver durchgesehen und dort erfolgt schon die Vorauswahl.

    1. Ich seh, da muss ich tatsächlich etwas anpassen, ich kannte bisher nur die Filialen hier im Land. Das könnte natürlich einiges erklären. Trotzdem denke ich, dass auch ein Sitz weiter westlich nicht entschuldigt, so in der Zeit stehengeblieben zu sein. Danke für deinen Kommentar!

  2. Moin Ina, ich denke Stolz kümmert es einen Sche… . Klar Reichweite um jeden Preis, das ist das Ziel und nichts anderes. Ostern nächsten Jahres soll auch in Mirow ein Kaufhaus eröffnen, ich frag mich warum, nur 10 km weiter ist das nächste.🙄 Das einzige Ziel von Herrn Stolz ist es Filialen ohne Sinn zu eröffnen um noch günstiger einzukaufen. Dies gab er selbst in einem Interview Mal zu. Dann bedient man halt jedes Klischees. Klar kann man dort gut einkaufen, besonders gut nordische Deko Made in China. Die kleinen Geschäfte haben das nachsehen. Man sieht es in Koserow sehr gut. Die kleine Drogerie weg, der Buchladen weg und der Modeladen weg. Dort hat sich Stolz sogar in das benachbarte Outlet eingekauft was es schon Jahre gab. Man könnte also auch Katzen im Radio miauen lassen und den Slogan schrein: wir können nicht niedlich aber günstig. Ich hasse dieses Kaufhaus.

    1. Das Sterben der kleinen Läden habe ich in Koserow auch schon registriert. Mirow wird da auch zu tun kriegen, wenn dort tatsächlich eine Filiale entsteht.

  3. Hallo Ina, ich bin tatsächlich wirklich froh, dass es doch einige Menschen gibt, die dieser Spot auch sauer macht. Als ich ihn das erste Mal gehört habe, war ich auch etwas fassungslos. Wie kann man, gerade zu Zeiten von sämtliche Gleichberechtigungsdebatten, in dieses unfassbare Fettnäpfchen treten, sämtliche Rollenklischees darzustellen. Und als ich das Video mit den Kommentaren darunter gesehen habe, war ich doch sehr erstaunt, wie wenig Kritik da kam. Ich kann alle deine Worte komplett unterschreiben. Danke, dass du sie aussprichst und öffentlich machst!

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Ina Mewes, text and sell

Ich bin Ina.

Werbetexterin, Content-Coach und Squirrel-Brain.

Ich unterstütze vielbeschäftigte Online-Unternehmerinnen dabei, mit guten Inhalten in die Sichtbarkeit zu kommen und. zu verkaufen. Ohne Content-Hustle und Überforderung.

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